Per Telefon geführt von Josip am 19.12.2001
in Wien
Was soll man
zu Bad Religion noch groß schreiben? Wie The Clash oder die
Dead Kennedys gaben sie dem Punk Rock neue, wichtige Impulse als es
gerade nötig war und wie die eben genannten Bands beeinflussten
sie spätere, sehr erfolgreiche Gruppen, wie zum Beispiel NOFX,
in einem beträchtlichen Ausmaß. Nachdem ihr Vertrag mit
Atlantic abgelaufen war, kehrten sie nun wieder zu Epitaph zurück
und auch Brett Gurewitz, Gründungsgitarrist und kongenialer Songwriting-Partner
von Greg Graffin ist wieder mit an Bord, sodass die Band nun nicht
weniger als drei Gitarristen besitzt. Am Montag, dem 21. Januar 2002
erschien ihr neuestes Werk "The Process Of Belief", mit
dem sie sich wieder selbst übertrafen und lautstark zurückmeldeten.
Im Zuge der Promotionsarbeit für das neue Album bekam ich die
Gelegenheit, ein halbstündiges Gespräch mit dem Bassisten
Jay Bentley zu führen, welcher sich wirklich sympathisch und
redselig präsentierte und mir so die leichte Nervosität
nahm, welche, wie ich zugeben muss, sich vor dem Interview mit so
einer Legende bei mir aufbaute.
Ihr seid nun
wieder bei Epitaph Records unter Vertag, wo vor 20 Jahren eure Karriere
begann und ich denke, dass "The Process Of Belief" auch
wieder an eure alten Werke anknüpft. War es denn schwer für
euch, an dem Album zu arbeiten, da die Erwartungen der Fans doch extrem
hoch waren?
Nein, überhaupt nicht. Ehrlich gesagt war das Aufnehmen so
ziemlich das leichteste, das wir je hatten. Ich denke, unsere eigenen
Erwartungen waren nicht so hoch, wie jene der Fans sodass wir einfach
unbeschwert ins Studio gingen und an dem Album arbeiteten. Außerdem
waren die Leute so glücklich, dass wir wieder auf Epitaph waren,
was wir aber nicht verstanden, da wir einfach das taten, was wir die
letzten Jahre getan haben und nicht anders. Wir hatten einfach viel
Spaß im Studio.
Wie vorhin erwähnt erinnert mich euer neues Album stark an
eure alten Werke. Denkst du, dass dies daher kommt, dass ihr Atlantic
Records verlassen habt und Brett Gurewitz wieder zurückgekehrt
ist oder glaubst du, dass "The Process of Belief" einfach
nur eine natürliche Weiterentwicklung von "The New America"
ist?
Ich denke, dass es eine ziemlich normale Weiterentwicklung ist.
Du musst beachten, dass dieser "alte Sound" auch daher kommt,
dass Brett vor acht Jahren die Band verlassen hat, genau nach "Stranger
Than Fiction". Seitdem hat er an überhaupt keinem neuen
Material gearbeitet und das, was er für das neue Album geschrieben
hat, knüpft eigentlich genau an "Stranger Than Fiction"
an. Zwar hat Brett während der Pause nichts geschrieben, jedoch
hat er natürlich auch nichts verlernt und Greg und Brett haben
glücklicherweise immer noch diesen wunderbaren, gesunden Konkurrenzkampf.
Immer wenn Brett einen Song mit einem bestimmten Stil und einem bestimmten
Standpunkt schreibt, liefert Greg sofort eine Antwort in Form von
zwei Songs ab, sodass sie sich immer gegenseitig vorantreiben.
Wo wir schon bei Mr. Brett waren, welcher also wieder da ist: Gab
es denn wirklich überhaupt keine Probleme beim Schreiben und
Aufnehmen des neuen Albums, da ihr doch sehr lange nicht mehr zusammengearbeitet
habt?
Nein, es war alles ganz einfach. Es war wie mit Familienmitgliedern
zu arbeiten oder sich mit einer alten Freundin zu verabreden: man
kennt den anderen sehr gut, hat lange mit einander zu tun gehabt und
man hat sich über die lange Zeit auch zusammen weiterentwickelt
und sich selbst besser kennen gelernt. Mit Brett zu arbeiten war für
mich wirklich schöner und einfacher als mit vielen anderen Personen.
Eure letzten beiden Alben waren in den Augen vieler Fans richtige
Enttäuschungen. Mögt ihr "No Substance" und "The
New America" eigentlich selber noch oder denkst du heute, dass
ihr etwas besser machen konntet?
Ich denke, dass beide Alben einige gute Songs haben, aber keine
guten "Alben" sind. Wir waren damals auf der Suche nach
etwas, das einfach nicht existierte und wir hatten damals Probleme
in der Band, was unsere "Richtung" anging. Bei "No
Substance" gingen wir sogar komplett ohne Material ins Studio,
ich musste das ganze Zeug dort schreiben. Wenn ich jetzt darauf zurückblicke
kann ich sagen, dass es zwar Spaß gemacht hat, aber dadurch
keine guten Songs entstehen konnten. Ein Song muss sich entwickeln,
damit er wirklich gut wird, so ähnlich wie Wein, und dasselbe
gibt auch für ein Album. Es muss alles mit der Zeit zusammen
wachsen. Wenn wir heute Stücke von "No Substance" live
performen, klingen die ganz anders als auf dem Album, da wir sie eben
mit der Zeit weiterentwickelt und verbessert haben.
Ihr seid vor neun Jahren von Epitaph zum Major Atlantic gewechselt.
Würdest du sagen, dass dies eine gute Entscheidung war und würdest
du es noch mal so machen?
Gerade jetzt würde ich es nicht machen, aber damals war es
sicher die richtige Entscheidung. Wenn ich jetzt zurückblicke
muss ich sagen, dass wir so ziemlich alles richtig gemacht haben müssen,
da wir sonst heute nicht da wären wo wir gerade sind. Außerdem
war das damals eine schwierige Situation mit Epitaph und Bad Religion,
da zu dieser Zeit nur Brett und ich bei Epitaph arbeiteten und 90
% dieser Arbeit in Bad Religion steckten. Allerdings bemerkten wir
mit der Zeit, gerade als Bad Religion bekannter wurden, dass das Label
unter Bad Religion leidet und Bad Religion auch unter der andauernden
Labelarbeit. Also mussten wir beides von einander trennen.
Du bist ja schon wirklich ziemlich lange im Musikbusiness tätig
und hast auch schon viele Trends kommen und gehen sehen. Was hältst
du von dem derzeitigen Pop-Punk-Trend und Bands wie Blink 182, Sum
41 oder The Offspring?
"It's
better than war and than poison." (lacht)
Also redest du nicht gerne darüber?
Über Blink meinst du?
Nein, eher über den gesamten, von MTV verursachten, Trend
der derzeit doch da ist, wo MTV versucht, "punk-ähnliche"
Bands zu pushen und die ganzen Kiddies eben diesen Bands nachlaufen.
Da gibt es einen guten englischen Ausdruck: MTV liebt "chicky"
Bands, also "süße" Bands, die immer Dummheiten
machen und sich sehr blöd aufführen, die Hosen runterlassen,
etc. Wie auch immer, ich find das in Ordnung, wobei es mir wirklich
egal ist. Ich bin nicht hier, um irgendwelche Bands oder MTV zu kritisieren.
Mir gefällt diese Art von Musik einfach nicht und ich bin nicht
der Eigentümer von MTV und deswegen interessiert es mich auch
nicht. Ich hab mit der ganzen Sache absolut nichts zu tun und bin
wie jeder andere nur jemand, der in den Plattenladen geht und sich
nur die Sachen kauft, die ich auch hören möchte.
Außerdem kümmere ich mich wirklich nicht darum, was MTV
macht, es ist nur ein Fernsehsender! Ich verstehe Leute nicht, die
absolut Anti-MTV-mäßig eingestellt sind, weil ich nie meine
Zeit dafür verschwenden würde, mich darüber aufzuregen.,
was die machen. Ich war dabei, als MTV auf Sendung ging und fand es
anfangs sogar super, weil ich meine Lieblingsbands live und in Farbe
sehen konnte! Und wenn du Auto fährst, würdest du einen
Radiosender aufdrehen, der nur Musik spielt, die du nicht magst?
Das wäre dumm.
Natürlich würdest du es nicht, weil es dumm wäre!
Und MTV ist nur ein visueller Radiosender! Die Leute, die es nicht
mögen sollen es einfach abdrehen! (lacht)
Mit Blink 182 verbindet euch ja eine besondere Geschichte. Ihr
habt vor ein, zwei Jahren für die als Vorgruppe gespielt. Meiner
Meinung nach, und das meine sicher nicht nur ich, hätte es genau
umgekehrt sein müssen. Habt ihr euch nicht irgendwie komisch
oder betrogen gefühlt?
Nein. Wir verkaufen ca. durchschnittlich 180 000 Exemplare unserer
Platten und Blink ca. 8 000 000. Deswegen denke ich nicht, dass sie
für uns eröffnen sollten, da sie die Tickets verkauft haben
und wir bei ihnen nur mitmachten, weil wir nichts anderes zu tun hatten.
Interessanter Standpunkt...Kleiner Themenwechsel: Bad Religion
ist eine Punk Rock Band. Wie würdest du persönlich "Punk
Rock" definieren?
Ich versuche Punk Rock nie zu definieren und ich denke dass Leute,
die es versuchen, die gleichen Leute sind, die alles kontrollieren
wollen. Ich denke, es ist unmöglich zu sagen, was alles Punk
Rock ist und das es weit mehr ist, als nur eine geschriebene Liste.
Es ist eine viel tiefere Angelegenheit.
Hast du eigentlich jemals in eurer langen Karriere daran gedacht,
das Handtuch zu werfen, mit dem ganzen Ding aufzuhören und irgendetwas
komplett anderes zu machen?
Das hab ich eigentlich schon einmal gemacht. Ich hab Bad Religion
verlassen und was ganz anderes gemacht - und es gehasst! Dann bin
ich wieder zurückgekehrt! (lacht)
Aber fühlst du dich nicht langsam zu alt für den ganzen
Scheiß?
Nein, noch nicht. Aber ich bemerke, wie ich langsam immer mehr
eigene Meinungen zu bestimmten Dingen entwickle. Früher hab ich
mir eigentlich über überhaupt nichts Gedanken gemacht. Während
die anderen nach Erklärungen für alles suchten, alles kritisierten
und diskutierten hab ich eigentlich nur gelacht und mich nicht darum
gekümmert. Jetzt beginn ich erst, mich über alles zu ärgern
und mich angepisst zu fühlen und ich denke, dass ich mich in
den nächsten Jahren noch viel ärgern werde, bis ich dann
auf einmal explodiere! (lacht)
Wenn du mal noch mal kurz zurückblickst: was würdest
du als den Höhepunkt eurer Karriere bezeichnen und was als größten
Fehltritt?
Also ich denke, dass unser größter Fehler die Veröffentlichung
von "Into The Unknow" 1984 war. Das hätte uns fast
zerstört. Aber ich finde es schön, dass wir jetzt, 18 Jahre
später, darauf zurückblicken und nun darüber sprechen
können, da viele Bands so etwas nicht überlebt hätten.
Es war für uns ein wichtiger Lernprozess und heute können
wir sagen, dass die Veröffentlichung wirklich dumm war.
Und wenn ich ganz ehrlich bin, denke ich, dass wir gerade das Highlight
unserer Karriere durchleben! Das Material, welches auf "The Process
Of Belief" veröffentlicht wird, kann meiner Meinung nach
eigentlich nur mit jenem von "Suffer" verglichen werden,
wobei die Umstände bei den Aufnahmen ganz unterschiedlich sind.
Während wir uns bei "Suffer" eigentlich keine Gedanken
um gar nichts machten und einfach nur etwas aufnehmen wollten, genossen
wir die Aufnahmen von "The Process Of Belief" so richtig
und ichdenke, dass ich gerade eine der besten Zeiten mit der Band
verbringe.
Hast du eigentlich ein Lieblings-Album von Bad Religion?
Hättest du mich das letzten Sommer gefragt, hätte ich
mit "Nein!" geantwortet, es wäre ein Mix aus bestimmten
Songs von verschiedenen Alben gewesen. Aber nachdem ich das neue Album
gehört habe, muss ich sagen, dass dieses mir mit Abstand ambesten
gefällt!
Ich
war auch sehr beeindruckt davon! Ich hatte wie viele Fans sehr hohe
Erwartungen und ich hätte nicht gedacht, dass diese erfüllt
werden, vielen Dank! (Wie sehr mir das Album gefiel, könnt
ihr hier
nachlesen, Anm. d. Red.)
Bist du dir eigentlich im Klaren darüber, dass
du mit deiner Band eine ganze Szene nachhaltig beeinflusst hast und
viele Bands, Bad Religion als ihre größte Inspirationsquelle
ansehen oder denkst du immer noch, dass ihr einfach nur "eine
normale, weitere Band" seid?
Ich würde nicht sagen, dass ich mir nicht im Klaren darüber
bin, dass wir einige Bands beeinflusst haben, aber uns selbst zu loben
und uns selbst auf den Rücken zu klopfen wäre das schlimmste,
was wir machen könnten! Ich mag keine Menschen, die sich und
ihr Ego zu wichtig nehmen und ich bin immer einer der ersten, der
versucht, anderen ihr Ego zu stutzen, falls es zu groß wird.
Ihr habt ja schon wirklich überall gespielt, sowohl in kleinen
Clubs als auch in riesigen Arenen. Wo spielst du eigentlich lieber?
Ich spiele gerne in kleinen Clubs, weil es dort heiß, schnell
und "real" ist. Aber ich spiele auch gerne in großen
Arenen, weil es etwas anderes ist und Abwechslung bringt. Aber ich
bezweifle, dass wir eine Karriere als Arena-Band machen hätten
können.
Hat man nach so vielen Touren, wie ihr sie gemacht habt, eigentlich
noch Spaß dabei, oder ist es schon mit langweilig und "zur
Pflicht" geworden?
Nein, ich liebe es zu touren. Denn wenn wir touren, sehen wir
uns jeden Tag und wir haben eigentlich eine Menge Spaß zusammen.
Bad Religion ist wie eine Familie für mich, wir kennen uns immerhin
schon fast zwanzig Jahre und wenn wir nicht gerade an der Band arbeiten,
sehen wir uns fast gar nicht. Außerdem ist der Playing-Part
einfach unglaublich, da ich es fantastisch finde, die Möglichkeit
zu bekommen, täglich auf die Bühne zu gehen und so vielen
Leuten anderthalb Stunden lang eine Show zu bieten. Also ich denke,
dass touren immer noch klasse ist.
Denkst du, dass sich eure Fanbasis in den letzten 20 Jahren stark
verändert hat, oder glaubst du, dass immer noch die selben "Menschtypen"
eure Musik hören? Und glaubst du, dass euch der damalige Labelwechsel
viele neue, "andere" Fans gebracht hat?
Also ich konnte keinen "MTV-Einfluss" auf unsere Fanbasis
erkennen, weder in den USA noch in Europa. Ja, selbst nach dem Labelwechsel
und nach der Tour mit Blink nicht! Die Fans, mit denen ich gesprochen
habe, waren Menschen, die neugierig sind, die Dinge hinterfragen,
die gebildet sind, die intelligent sind, also eigentlich genau die
gleichen Typen seit 1988. Es hat sich nichts geändert!
Was für Ziele hat man als Musiker mit einer solchen Karriere
noch? Hast du schon alles erreicht, was du jemals erreichen wolltest
oder gibt es da noch etwas, das dich anspornt?
Ich denke, das Hauptziel dieser Band war es, ein Demo-Tape aufzunehmen,
und das haben wir geschafft, schon vor langer Zeit. Alles was danach
kam war eine schöne Draufgabe.
Mein persönliches Ziel ist es, mit der Bassgitarre immer das
spielen zu können, was ich denke. Als Greg früher etwas
auf der Akustikgitarre spielte, hatte ich immer eine coole Bassline
im Kopf, konnte sie aber nie spielen, da ich das Instrument nicht
beherrschte. Und mein Ziel ist es heute, immer das spielen zu können,
was ich mir gerade im Kopf ausgedachte habe.
Apropos Instrumente: derzeit spielen drei Gitarristen in der Band,
was doch ziemlich ungewöhnlich ist. Wie kommt das?
Das kommt daher, dass wir drei Typen haben, die Gitarre spielen.
(lacht) Nun ja, nachdem Brett zurückkam wollten wir trotzdem
niemanden aus der Band werfen. Also machten wir einfach noch Platz
für einen Gitarristen.
Zu guter Letzt eine Standardfrage: wie schaut es mit euren Zukunftsplänen
aus? Was habt ihr in nächster Zeit so alles vor?
Im Februar steht zuerst einmal eine kurze Promo-Tour in Europa
an, mit drei Gigs in Deutschland, einem in Mailand, einem in Spanien
und einem in London. Und im Mai gibt es dann eine ausgedehnte Europa-Tour!
Bei der ihr sicherlich auch nach Österreich kommt?
Natürlich, ohne jeden Zweifel!
Na dann freue ich mich schon mal darauf! Vielen Dank für das
Interview!
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