Geführt von Josip am 27.10.2001 in Wien
Fünf Jahre mussten die Fans auf ein neues Werk warten, bis
schließlich im Februar 2001 "Today's Empire's, Tommorrow's
Ashes" erschien. Natürlich erfüllte das Album alle
Erwartungen und kann heute schon als Meisterwerk bezeichnet werden.
Nur wenige andere Bands versprühen eine solche Aura von Genialität
wie Propagandhi aus Kanada. Bei ihrem ausverkauften Auftritt in Wien
bekam ich die Gelegenheit mit Sänger/Gitarrist Chris und Drummer
Jord, die ja auch das hauseigene Label G7 Welcoming Committee leiten,
ein wirklich sehr interessantes Gespräch zu führen.
Ihr seid jetzt knapp einen Monat in Europa unterwegs. Wie waren
die Reaktionen eurer Fans, die euch ja schon seit Jahren nicht mehr
live erleben konnten?
Chris: Wirklich gut. Das Publikum kommt mir hier nicht so laut
vor wie drüben, dafür sind die Leute hier netter. So bekommen
wir das Beste von zwei verschiedenen Welten.
Tourt ihr also lieber durch Europa, weil ihr besser behandelt werdet?
Chris: Ehrlich gesagt toure ich am liebsten gar nicht, aber
ich liebe es, neue Orte kennen zu lernen, mit unbekannten Leuten zu
reden und ihre Geschichten zu hören. Das macht das Touren viel
schöner.
Habt ihr eigentlich Angst, das euer Publikum in Europa gar nicht
versteht, wovon ihr singt und was ihr erreichen wollt?
Chris: Ich hab keine wirklich Angst davor, obwohl die Sprache
natürlich schon eine Barriere darstellt. Aber es ist nicht die
Schuld unserer Fans in Europa, falls sie die Texte nicht verstehen,
denn wenn wir wirklich wollten, könnten wir ja auch Texte in
ihrer Sprache schreiben. Ich denke, dass viele Leute hier sehr gebildet
sind und das die meisten auch unsere Aussagen verstehen und darüber
nachdenken, was wir sehr schätzen.
Ihr habt jetzt eure Fans fünf Jahre lang auf ein neues Album
warten lassen. Was habt ihr in dieser langen Zeitspanne gemacht? Seid
ihr nur faul herumgesessen?
Chris: Nein, auf keinen Fall! Wir haben 19 Alben für andere
Bands auf dem G7-Welcoming-Committee veröffentlicht, das heißt
wir haben uns mehr auf andere Bands als auf unsere eigene konzentriert.
Außerdem haben wir ja mit Todd einen neuen Bass-Spieler bekommen,
was natürlich auch seine Zeit gekostet hat. Aber es wird nie
wieder eine Fünf-Jahres-Pause geben!
Also wolltet ihr nicht bewusst eine lange Pause machen?
Chris: Nein, aber unser Label hat doch deutlich mehr Zeit in
Anspruch genommen als ursprünglich angenommen.
Ihr seid ja bei Fat Wreck Records beheimatet, was ja an sich nichts
besonders Verwerfliches ist. Allerdings kommt es mir so vor, als ob
ihr immer Fragen vermeidet, die mit Fat Wreck zu tun haben. Auf eurer
eigenen Website beantwortet ihr die Frage, warum ihr auf Fat Wreck
seid einfach mit "Darum!". Was ist der Grund dafür?
Chris: Ich hätte nie gedacht, dass sich die Leute so viele
Gedanken über das Label einer Band machen. Wir vermeiden solche
Fragen einfach, weil es für uns keine große Sache ist.
ich denke, es ist selbstverständlich, dass wir bei einem Label
bleiben, dass uns immer sehr gut behandelt hat und mit Leuten arbeiten,
mit denen wir schon seit zehn Jahren befreundet sind. Aber da wir
uns ja jetzt sehr mit unserem eigenen Label beschäftigen, werden
wir versuchen müssen, eine gute Beziehung zwischen den beiden
Labels zu finden.
Und wo werdet ihr selber eure nächsten Sachen veröffentlichen?
Chris: Einige Sachen werden auf G7 herauskommen, andere auf
beiden Labels. Ich denke, es ist nur fair Fat Wreck den Rücken
nicht vollkommen zu kehren, da sie uns doch immer unterstützt
hatten und wir das sehr schätzen.
Was denkst du über den derzeitigen Punk-Rock-Mainstream-Trend?
Punk Rock, was auch immer es ist, ist in letzter Zeit doch sehr populär
geworden und Bands wie Blink 182 oder The Offspring schlagen da sehr
viel Profit heraus. Und denkst du, dass Punk Rock nicht mehr die gleichen
Ideale wie früher vertritt?
Chris: Ich denke der Hauptpunkt ist, dass die heutigen "großen"
Bands im Gegensatz zu früher absolut keine politischen Messages
herüberbringen. Als wir mit sogenannten Hardcore-Punk-Bands aufgewachsen
sind, war es selbstverständlich, egal wie groß oder klein
die Band war, eine politische Meinung zu vertreten. Doch seit dem
Beginn der 90er-Jahre hat sich das völlig geändert. Den
großen Bands geht es nur noch darum, Werbung für Bekleidungs-
und Skateboardfirmen zu machen. Wenn sie das machen wollen, ist das
ihre Sache. Wir kümmern uns nicht allzu sehr darum. Uns geht
es nicht so sehr um die Wörter "Punk Rock".
Jord: Ich finde es gut, dass es immer noch genug Underground-Bands
gibt, die diese Werte vermitteln. Auch beim Hip-Hop, der meiner Meinung
nach ja von der Ideologie her ähnliche Wurzeln hat, konnte man
diese Entwicklung gut beobachten. Mich stört es einfach nur,
dass die ganzen Major Labels diese Musikrichtungen nur für ihre
eigenen Zwecke missbrauchen, die ganzen wichtigen Messages herausnehmen
und nur versuchen, soviel Geld wie möglich damit zu machen.
Aber denkt ihr nicht auch, dass man auch als politische Band durchaus
Mainstream-Erfolge erzielen kann? Mir fallen da zum Beispiel The (International)
Noise Conspiracy oder Rage Against The Machine ein, die ja schon sehr
bekannt sind.
Jord: Ja, aber das sind doch nur ganz kleine Ausnahmen, die
es leider viel zu selten gibt.
Chris: RATM gehören meiner Meinung nach zu den besten Gruppen
aller Zeiten. Einfach unglaublich, wie sie ihre Messages in ihren
Lyrics verpacken und auch noch so gut mit ihrer Musik kombinieren
konnten.
Ich mochte sie auch ganz gerne, aber findest du nicht, dass es
ein wenig heuchlerisch ist, auf bei einem Major Label zu sein, MTV-Auftritte
zu haben und dann von "Bullshit Capitalists" zu sprechen?
Chris: Ich glaube schon, dass sie sich diesem Widerspruch bewusst
waren. Aber ich habe auch sehr viel Respekt dafür, dass sie ihre
Message an möglichst viele Leute weiterleiten und diese zum Nachdenken
bringen wollten.
Jord: Ich denke auch, dass es wichtig ist, dass solche Bands
wie RATM auch in der Öffentlichkeit bekannt sind, da die Leute
wissen müssen, dass man sich gegen alles wehren kann und das
man darüber nachdenken soll, was in unserer Welt vorgeht. Und
RATM haben einen wirklich guten Job gemacht.
Wie schaut es bei euch aus? Würdet ihr jemals zu einem Major
Label wechseln?
Chris: Niemals!
Sehr schön, eine Band mit Prinzipien! Kommen wir noch mal
kurz zu Fat Wreck zurück. Es gibt sicherlich genug Leute, die
man als die "gewöhnlichen Fat Wreck-Hörer" bezeichnen,
die auf Bands wie Lagwagon, No Use, etc. stehen und relativ wenig
politisch interessiert sind. Nicht dass ihr mich falsch versteht:
ich liebe diese Bands auch, allerdings höre ich auch gerne politische
Musik. Und was denkt ihr über einige dieser Hörer, die eure
Band nur hören, "um cool zu sein" und um behaupten
zu können, sich für Politik zu interessieren?
Chris: Ich verstehe was du meinst. Aber ich finde, man sollte
diesen Leuten Zeit geben, um sie weiterzuentwickeln. Vielleicht denken
sie in Zukunft mehr über die Texte nach und wollen sich weiterinformieren.
Man sollte ihnen nicht gleich den Weg versperren uns die zur Seite
stoßen, nur weil sie sich am Anfang hauptsächlich für
die Musik interessieren.
Jord: Ich denke, dass wir auch so aufgewachsen sind und haben
auch erst später bemerkt, wie wichtig uns doch die Politik ist
und das wir versuchen wollen, etwas zu verändern. Vor allem in
Nordamerika ist es sehr schwer, früh zu begreifen, was Sache
ist, da man von Beginn an manipuliert und einer Gehirnwäsche
unterzogen wird. Das ganze Leben ist dort eigentlich ein Prozess des
Begreifens.
Aber ich finde vor allem Leute, welche Parolen wie "Fuck Commerce"
schreien, ohne zu wissen, wovon sie sprechen, besonders peinlich.
Chris: Schon klar, aber es gibt einen Weg von "es cool
zu finden, solche Parolen zu schreien" zu "die Sache dahinter
zu begreifen" und man sollte niemandem diesen Weg versperren
und es liegt vor allem an den Bands, diesbezüglich Aufklärarbeit
zu leisten.
Kommen wir zu einem aktuellen Thema. Ich würde gerne mal eure
Meinung zu den Anschlägen auf das World Trade Center und den
damit verbundenen, noch immer andauernden, Vergeltungsschlägen
hören.
Jord: Also ich denke, dass Töten immer falsch ist, vor
allem, wenn es Zivilisten trifft, die es absolut nicht verdienen,
zu sterben. Es war falsch in New York City und es ist auch falsch,
wenn die US-amerikanische Regierung Diktatoren unterstützt, nur
um ihre eigenen Interessen durchzusetzen, und weiters die stärkste
Waffenindustrie auf der Welt hat und auch noch unsere Umwelt zerstört,
nur um Profite zu erzielen. Ich denke, dass wenn die Leute in Amerika
realisieren, dass Töten immer falsch ist, egal wo es passiert
und dass ihre eigene Regierung für viel Leid auf dieser Welt
verantwortlich ist, es zu tiefergreifenden Veränderungen kommen
könnte. Nur leider wird dies sehr schwierig werden, da eben diese
Regierung die Macht der Massenmedien besitzt und auch einsetzt und
so den Leuten nur ihre Sicht der Dinge zeigt und die Hintergründe
immer vereinfacht und so nur die halbe Wahrheit erzählt. CNN
ist definitiv ein Teil dieser Regierung und wird auch oft genug für
Propaganda-Zwecke missbraucht. Ich bin wenig optimistisch für
die Zukunft und denke, dass wenn die Bombardements weitergehen und
sich der Konflikt zwischen Indien und Pakistan, welche ja immer als
"die islamische Welt" bezeichnet werden, zuspitzt, die ganze
Sache eskalieren und alles schließlich in einem dritten Weltkrieg
enden könnte. Natürlich hoffe ich, dass es nicht soweit
kommt, aber wer weiß wozu diese Idioten in der Regierung mit
ihren exotischen Waffen fähig sind.
Ich hoffe auch, dass du nicht Recht behältst...Lass uns das
Thema wechseln. Was sind eure generellen Ziele als Musiker und Band?
Denkt ihr, dass ihr die Welt oder wenigsten ein paar Menschen verändern
könnt?
Chris: Wir wollen einfach das zurückgeben, was wir von
Bands wie den Dead Kennedys, die unser ganzen Leben beeinflusst haben,
bekamen, nämlich eine andere Sicht der Dinge, die auf der Welt
passieren und die sie sonst nirgends bekämen.
Jord: Ich denke, dass Musik immer ein geeignet Weg war, Botschaften
zu übermitteln und dass es vor allem in der ersten Welt, in Ländern
wie Kanada, den USA, und ganz Europa einer der wenigen Wege sein kann,
die Leute von einer gewissen Sache zu überzeugen, da Musik eben
sehr zugänglich ist.
Könnt ihr eigentlich von der Musik leben oder müsst ihr
nebenbei arbeiten?
Chris: Wir arbeiten noch ein wenig nebenbei, aber da wir nur
zu dritt sind und wir in einem sehr billigen Teil von Kanada leben
und von Fat Wreck in US-Dollar bezahlt werden, die dort mehr wert
sind als kanadische, können wir ganz gut leben. Irgendwie geht
sich immer alles aus.
Was halten eure Familien von eurer Band und von euren politischen
Aktivitäten und Ideen?
Chris: Also meine Eltern halten wenig von meinen Ideen, da
sie doch schon ziemlich lange leben und immer von einer bestimmten
Politik geführt wurden und sich zu alt fühlen, um sich zu
verändern. Aber sie respektieren mich und mögen mich auch,
also ist alles in Ordnung.
Jord: Meine Eltern, vor allem meine Mutter, die Piano unterrichtet,
waren zuerst froh, dass ich überhaupt etwas mit Musik angefangen
habe. Und als ich ihnen meine politischen Ideen vorstellte, fanden
sie diese anfangs auch ziemlich interessant. Allerdings waren sie
überrascht, wie weit ich mit meinen Ideen ging, sodass wir doch
einige Meinungsverschiedenheiten hatten. Aber wir haben uns trotzdem
immer gut vertragen und sie fingen dann auch irgendwann an, sich über
meine Ideen zu informieren, Bücher zu lesen, sodass sie doch
auch "meine Arbeit" anerkennen.
Was haltet ihr eigentlich von den Weakterthans, die Band eures
früheren Bassisten John? Er beschwert sich, dass er bei jedem
Interview nach Propagandhi gefragt wird, also denke ich dass es nur
fair ist, ihn auch einmal bei einem eurer Interviews zu erwähnen.
Jord: Ach so, was sagt er denn über uns? (lacht) Natürlich
respektieren wir seine Band und die ganze Arbeit, die er dort rein
steckt. Allerdings kann ich mich mit dem Musikstil nicht so richtig
anfreunden, da wir es doch härter mögen. Aber wie gesagt,
er macht seine Sache ganz gut und wir wünschen ihm viel Erfolg.
Letzte Frage: Habt ihr irgendwelche Pläne für die Zukunft?
Wann soll den die nächste Platte erscheinen?
Chris: Das wissen wir wirklich noch nicht. Wir sind jetzt schon
sehr lange auf Tour und haben noch keine neuen Songs geschrieben.
Mal sehen...
Vielen Dank für das Interview!