Selten haut mich eine Band richtig um. Cameran aus Graz haben es im Oktober des letzten Jahres geschafft. Tun es noch immer. Und wie!
Debütalben sind oft etwas einzigartiges. Etwas besonderes. Momentaufnahmen eines Höhepunkts, den eine Band später vergeblich zu wiederholen versucht. Ob das bei Cameran später auch der Fall sein wird, ist nicht abzusehen. Etwas besonderes ist ihr Debütalbum "A Caesarean" aber ganz bestimmt.
So ein unglaublich kickender Opener wie "The Zombie Walk" etwa, der den Energiepool nur so überschäumen lässt und jugendlichen Ungestüm so perfekt in pure Katharsis kanalisiert - das ist ein typisches Debütalben-Phänomen. Doch Cameran sind in ihrer Entwicklung schon weiter als viele andere Debütanten, wie das darauf folgende "Spin Variations" beweist, bei dem das Laut/Leise-Spielchen so meisterhaft groovig betrieben wird, dass man kaum glauben mag, einer debütierenden Band zu lauschen. Zu majestätisch trohnt die Band hier in den Gipfeln über der Restwelt, schwebt in Dimensionen, die andere niemals erreichen werden.
Cameran wecken nur Erinnerungen an die ganz Großen, Rage Against The Machine etwa, Snapcase und - das unvermeidbare Doppelgespann - At The Drive-In und Refused. Dass "A Caesarean" dabei genau wie einst das wegweisende Manifest "The Shape Of Punk To Come" in den Tonteknik Studios in Umea und unter der Regie von Pelle Henricsson entstand, ist eine interessante Randnotiz.
Doch schon auf ihrem Debüt kochen Cameran unverkennbar ihr eigenes Süppchen. Cameran sind genau so Hardcore wie Jazz, genau so Dream-Pop wie Frickelcore, ebenso ohrenbetäubend laut wie filigran und zart. Und dabei immer mächtig tight und smart. Denn die Regel besagt, dass Energie nur dann eruptiv wirken kann, wenn sie nicht überstrapaziert wird und sich mit Gegenpolen abwechselt. So entsteht Dynamik. Und deswegen nehmen sich Cameran immer zur richtigen Zeit zurück und paaren ihre Riff-Gewitter immer wieder mit kontemplativen Ruheinseln, verträumtem Kopfkino, bei dem Explosions In The Sky von Geigen begleitet werden, die weinend vom Himmel fallen.
Im monumentalen, knapp elfminütigen Breitwand-Abschluss "A Million Years Now" verleihen Cameran ihrem Antrag auf Scheuklappen-Freiheit nochmals Nachdruck und packen einfach alles, was dieses Album ausmacht, in einen Song. Das ist - wiederum stellvertretend für die ganze Platte - großes Kino voller Verzweiflung, Hoffnung, Energie, Entspannung, Krach, Ruhe, Politik und Intimität.
Das Ergebnis dieses Kaiserschnitts kann sich sehen lassen, spielen Cameran mit diesem furiosen Debüt doch schon in ihrer ganz eigenen Liga. Und jeder Zweitgeborene wird es bei diesem Vorbild schwer haben.
Wertung:
-------------- this is a film that has no end fiction fights feelings absent as absurd as it sounds there´s more truth than you pretend