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+---Thema: Broken Social Scene - s/t Eröffnet von Patrick


Beitrag von: Patrick an 03. 11 2005, 13:31

BROKEN SOCIAL SCENE - S/T

Stil: Noise-Pop-Klangcollage
Label: < City Slang > / < Rough Trade >
Spieldauer: 14 Tracks, 63.14 min.
Release: 7. Oktober 2005
Highlights: 7/4 (Shoreline); Ibi Dreams Of Pavement; Windsurfing Nation; It´s All Gonna Break
MP3: < >> 7/4 (Shoreline) >
Sonstiges: < >> E-Card (inkl. Album-Stream) >

< Offizielle Bandhomepage >

Schwierig sollen sie gewesen sein, die Umstände, in denen das neue, selbstbetitelte Album der Broken Social Scene entstanden ist. Mit Apostle Of Hustle, Metric, Do Make Say Think, Feist, den Dears oder den Stars vereinigen sich hier schließlich auch zahlreiche Solisten zu einem Kollektiv, die sich sonst nicht unterordnen müssen und teilweise außerhalb der Broken Social Scene große Erfolge gefeiert haben. So war es laut Vorsprecher Kevin Drew ein mühseliges Unterfangen, die gesamte, 22 Köpfe zählende Belegschaft in ein Studio zu karren, um den Nachfolger zum Kritikerliebling You Forgot In People aufzunehmen. Drei Jahre hat es gedauert, nun ist es geschafft.
Man hört Broken Social Scene an, dass die Geburt eine der schwierigen Sorte war. Im Gegensatz zum zugänglichen, mit zahlreichen eingängigen Pop-Melodien ausgestatteten Vorgänger, zündet hier erstmal fast nichts. Klar, mit dem bedrückend schönen, luftigen Noise-Popper 7/4 (Shoreline hat man einen waschechten Hit an Bord, auch die Pavement würdigende Reminiszenz Ibi Dreams Of Pavement (A Better Day) geht vergleichsweise schnell in´s Ohr, aber sonst herrscht erstmal blankes Unverständnis.
Wo die ersten beiden Alben Hoffnung symbolisieren sollten, ist das neue Werk laut Aussage von Kevin Drew der Furcht gewidmet:
"This record is what you hear in your head before collapsing. The weird humming sound that gets louder and louder until you feel your ears explode and than it’s all black and your nose is bleeding and you’re lying on the floor, it’s just you, darkness and the sound of your heartbeat and blood and you surrender into it, you give up and this takes the weight of your chest fort he first time and it feels so good."
Ein Statement, dass man sofort unterschreiben möchte. Windsurfing Nation hieß der einst für diese Platte angedachte Titel und es war eine weise Entscheidung, diesen irreführend positiven Namen zu verwerfen. Im Jahr 2005 gibt sich die Broken Social Scene deutlich verkopfter und unzugänglicher als zuvor. Man muss sich auf dieses Album einlassen und sich ihm in etlichen Durchgängen widmen, bevor man sie dann doch wieder erkennt - diese verzauberten, wunderschönen Melodien. Es gibt sie auch diesmal, nur sind sie nun besser im Gesamtkunstwerk, in den zeitweilig über 170 übereinandergelegten Spuren (!!!), versteckt. Broken Social Scene ist ein gleichmäßig in sich ruhender Fluß aus verwunschenem, magischem Pop und verstörendem Krach, aus dem man die Melodien erst herausfischen muss. Broken Social Scene ist ein einstündiger Tagtraum, ein Schlafwandeln in nassfeuchter, surrealer Nestwärme.
Ein einzelner Song ist hier nicht viel Wert, es ist die kollektive Klangcollage, die entdeckt werden will. Ebenso wenig wie man sich bei der Auswahl der Musiker beschränken lässt, sind hier stilistische Limitierungen zu finden. Postrock, Noise, Folk, Pop, instrumentale Interludes - das Feld, das die Broken Social Scene bestellt, ist groß angelegt. Und in all der Verwirrung kann man bei bestem Willen nicht mehr sagen, welche und wieviele Musiker nun gerade spielen und singen. Überhaupt, singen: Es wird viel geflüstert, gehaucht, gesäuselt, seltener geschrien, dann sogar gerappt - und selten einfach nur gesungen. Mit Koventionen hat es dieses Kollektiv einfach nicht.
Das verstörende Theater findet seinen finalen Höhepunkt schließlich im zehnminütigen Abschluss It´s All Gonna Break, der so etwas wie die Essenz des gesamten Longplayers darstellt: Da steht Euphorie neben Melancholie, luftiger Pop neben morbidem Düsterszenario, Sehnsucht neben Aufbruch, Bläser neben reduzierter Nacktheit, Introvertiertheit neben Extrovertiertheit - es sind die Kontraste, Tempo- und Stimmungswechsel, die dieses Lied und alle anderen bestimmen.
Ein weiteres Statement von Kevin Drew:
"Ich finde, die Platte klingt wie keine andere Band da draußen. Das soll nicht anmaßend klingen, aber ich zumindest kenne niemanden, der einen ähnlichen Sound hat."
Und auch dieses Mal können wir ihm nur ausdrücklich zustimmen.

Fazit: Die Broken Social Scene macht es einem wirklich nicht leicht mit dieser Platte - sie ist anstrengend, zermürbernd und kopflastig, wirkt überladen und chaotisch. Doch irgendwann legt sich ein Schalter in deinem Kopf um und du beginnst, diese Platte zu verstehen und ihr wahres Wesen zu erkennen: Broken Social Scene ist eine ambitionierte, schwierige Collage voll verstörender, gebrochener Schönheit, die viel Zeit braucht, um sich zu entfalten. Dann aber will man dieses eigenwillige, innovative Kunstwerk nicht mehr missen.

Wertung:


Beitrag von: Johannes an 05. 11 2005, 23:39

hm.. schönes review, verdammt große platte. läuft seit ein paar wochen immer wieder und ist auf jeden fall top5 dieses jahr. hui.. und bald konzert. ich freu mich.
Beitrag von: Josip an 06. 11 2005, 13:26

Quote (Johannes @ 05. Nov. 2005, 23:39)
hm.. schönes review, verdammt große platte. läuft seit ein paar wochen immer wieder und ist auf jeden fall top5 dieses jahr. hui.. und bald konzert. ich freu mich.

dem kann ich nur beipflichten. wahnsinnsplatte, konzert wird sicher ebenfalls eines der diesjährigen highlights.
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