Eigentlich standen wir ja sowieso immer noch total unter dem Eindruck der umwerfenden Hot Water Music-Reunion vom Wochenende. Eigentlich wollten wir die grandiosen Pfingsttage nur ganz gemütlich bei Chuck Ragan ausklingen lassen. Und eigentlich wussten wir auch nur, dass er ein paar Freunde mitbringen wollte, um das gemeinsame neue Album Bristle Ridge vorzustellen. Als wir dann nach einem Bier im sonnigen Biergarten des Wiesbadener Schlachthofs die kleine Räucherkammer betraten, wurde uns aber klar, dass alle Künstler zunächst auch nochmal alleine auftreten durften. Eine gute Idee.
Den Anfang machte Digger Barnes, der vor einer Leinwand sitzend, kleine Geschichten aus seinem Diner mit dem Namen “Diggers Diamond“ erzählte. Auf die Leinwand projizierte sein Kumpel Pencil Quincy derweil mit einer so genannten Magic Machine und einer kleinen Kamera Bilder von fahrenden LKW und verschiedenen Wettereffekten, was die Akustiksongs sehr schön untermalte. Ein kurzes, aber sehr schönes Set.
Ein Sänger, wie Austin Lucas braucht solcherlei Spielereien hingegen nicht. Bei seinem Auftritt reichte schon die Stimme allein, um das Publikum in seinen Bann zu schlagen. Auch der kleine Mann spielte sich durch ein wunderschönes, kurzes Set, welches mit dem tieftraurigen Life I've Got auch den ersten Höhepunkt des Abends beinhaltete.
Ohne große Pause übernahm danach Chuck Ragan die Bühne und wer bis dahin geglaubt hatte, dass man auf Akustikkonzerten nur herumstehe, wurde schnell eines besseren belehrt. Teilweise erinnerten die Szenen bei den Songs der Platte Feast Or Famine, übrigens unterstützt von Jon Gaunt an der Geige, schon fast an alte Hot Water Music-Shows. Doch auch hier gab es einen unumstrittenen Höhepunkt: auf Zuruf spielte Chuck nämlich beide Songs der Rumbleseat 7-inch Saturn In Crosshairs. Und wer hätte gedacht, dass die Leute diese Nummern so gut kennen und so abgingen. Selbst Chuck konnte es kaum fassen und schien während Cursing Concrete der glücklichste Mann im ganzen Club zu seinen.
Nach fast einer weiteren Stunde holte er dann auch wieder Austin Lucas und Digger Barnes zurück auf die Bühne. Zu viert sollte es nun noch ein paar Songs des neuen Bristle Ridge-Projekts geben. Streng am Bluegrass, einer speziellen Art des Country, lediglich mit Gitarre, Geige und Kontrabass, orientiert, kamen auch die neuen Songs beim Publikum unglaublich gut an. Obwohl kaum jemand etwas kannte, war die Stimmung am Ende so großartig, dass die Band die Bühne gar nicht mehr verlassen wollte und die erste Nacht der Tour zu einer kleinen improvisierten Probe nutzte. Nach einer weiteren Stunde und einigen erneuten Solosongs, unter anderem der wunderschönen Austin Lucas-Nummer Sun Or Snow, mit Chuck Ragan am Mikro, hatte sich die Räucherkammer dann auch schon ziemlich geleert. Auf der Bühne kreiste jedoch noch immer munter die Wodka Flasche. Irgendwann gegen viertel vor eins beendeten Chuck und Austin diesen Abend, nach mittlerweile knapp vier Stunden. Diesen besonderen Abend.
CHUCK RAGAN + AUSTIN LUCAS + DIGGER BARNES + JON GAUNT
