Es wieder ein ganzes großes Stück Arbeit, dass Sinnbus uns bringt. In Gestalt von Kam As diesmal, die aus Berlin kommen (sic!) und hier ihr zweites Werk abliefern. Arbeit deswegen, weil es Aufmerksamkeit und den Willen erfordert, Musik sich erschließen zu lassen; nach zu denken und nach zu fühlen. Dabei bei der Sache bleiben und Schönheit erkennen. Wenn Dinge die schrumpfen zu wachsen beginnen. Mit einem Post-Core-Song, der dann auf einmal ein Indie-post-poser wird, geht es los. Das Sad Clown’s Breakfast endet nach 4 Minuten mit abrupt einsetzenden Klavier-Harmonien. Das ist der kürzeste Song wohlgemerkt und vielleicht noch der leichteste. Denn mit Creature Tango geht er weiter; ein Indierock-Song, der dann weiterführt in die Welt von Kam As, die in allen Belangen einfach ANDERS ist. Anders wie sprechende Pilze; anders wie fallende Sterne. Es seltsamer LSD-Chord begleitet: Kam As – Bric-A-Brac. Warum trägst du dieses blöde Menschenkostüm? Es geht nicht darum, dass es um etwas gehen würde, sondern darum, dass es um nichts gehen könnte. Wie bitte kann man fühlen und denken trennen? Emotionale Intelligenz beweisen Kam As weiterhin. Auf sanfte Weise spritzen sie dir Stoffe, die Stoffe freisetzen die Stoffe spritzen die dich ausharren lassen. Und es geht weiter, zu viel und zu unvergleichbar für meine beschreibende Bilder. I Ride A Rat: mir fällt At-The-Drive-In oder vielleicht eher noch Standstill ein, bevor es auf einmal in einen merkwürdigen Falsett-Gesang geht; der dann wuchert zu einem weiteren verrückten Post-Core-Track und dann fast auf einmal wieder: Atmosphäre. Und dann wieder: intensives einnehmendes Gitarrenspiel. Das sind die Post-Rock-Momente, wenn alles zu schweben beginnt, wie Dorothys Haus gewirbelt wird und aus dem Fenstern Sachen erkennbar werden, die einmal verwurzelt waren und so sicher und jetzt nur noch Fragmente sind, und unbedeutende Kleinteile der menschlichen Anstrengung nach etwas Bedeutendem bleiben können. Schon davor haben Kam As bei Thumbling das Buch der bigotten Bilder wieder umgeblättert. Leider kann man sich die Seiten ihres Werks nur ganz kurz ansehen, weil dann schon wieder weitergeblättert wird. Das wird gemacht, weil nichts mit der Phantasie konkurrieren kann. Verwechselt die Intensität nicht mit Psychedelik, obwohl Bric-A-Brac oft ganz sicher so ist: psychedelisch. Manche Momente erinnern mich an die jazzigen Instrumental-Songs von Kante. Trans AM to PM etwa, mit seiner Jazz-Vertracktheit und diesem „Zweilicht“-Kontext zwischen den Dingen. Kam As: das heißt zwischen flüstern und schreien alles. Nicht, dass Kam As wie Kante klingen würden: sie erinnern mich einfach an sie. Die beiden letzten Songs sind mit ihrem jeweils über 10-minütigen Inhalt noch mal schwere Brocken geworden und in gewisser Weise „herkömmliche“ Post-Rock-Vertreter geworden, was heißen will: elegische Beiträge zur Musikkultur; ausufernde Linien und einnehmende Strukturen. Man hört leise Schritte, die sich heranschleichen, dann leise Gitarren, die sich heranschleichen. Du bist das kleine Kind im Schlafzimmer und Kam As sind deine Eltern, die dich nicht aufwecken wollen. Wenn du dann doch aufwachst steht dein bettchen schon mitten auf einer grünen Aue und keiner kann sicher sein, dass das göttliche „weiden“ nicht zum „ausweiden“ wird. Ausweitend vermehren sich die Zutaten zum Song, das klangliche Konstrukt wird wie ein Haus gebaut: Stein für Stein. Brick by Brck zu Bric-A-Brac. Wer sich darauf einlassen mag erfährt, worum es bei Kam As, ja bei Sinnbus, wohl stets geht: sei dabei, komm mit, lass dich tragen, wir nehmen dich mit. Assimilation kann so schön sein...
-------------- The artist formerly known as Ulrich.
KAM AS – BRIC-A-BRAC
