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+---Thema: Fantomas + Guapo Eröffnet von Ulrich


Beitrag von: Guest an 12. 05 2004, 14:14

FANTOMAS + GUAPO

11.Mai.2004
Markthalle, Hamburg
ca. 400 Besucher, 20 Euro Eintritt


Schon der Soundcheck vor dem Konzert versprach einiges und Mike Patton bei selbigem zuhören zu können ist besser als so manches richtige Konzert. Zumal seine Band heute, Fantomas, hin und wieder ja durchaus so klingt, als handle es sich lediglich um einen Soundcheck...
Das Publikum heute Abend war auch dementsprechend merkwürdig. Von den Mattetragenden Slayer-Fans bis zum freakigen Rockopa oder Kunstkritischen Anzugträger war die ganze Bandbreite vorhanden. Vor der Show wurde eigenartige türkische Musik gespielt und weil es verdammt heiß und stickig war und die Markthalle mit ihren Aufsteigenden Steintreppen auch optisch daran erinnerte, fühlte man sich wie in einer türkischen Dampfsauna.
Guapo aus England machten schließlich den Anfang in der gut gefüllten Location. Instrumental-only und mit dicker Orgel und Mellotron, einem China-Gong und sowieso verrückt aussehenden Musikern schon optisch beeindruckend.
Zu Anfang ganz leise überdeckten die Gespräche des Publikums die Musik beinahe vollkommen. Irgendwann verebbte aber auch das letzte Nebengeräusch und, nach einigen Minuten Eingewöhnungszeit war man gebannt gefangen in der fantastischen Welt Guapos. Postrock trifft hier auf Space- und Progressive-Rock der Drone-Drogen-Atmosphäre. Bilder steigen dir zu Kopf, das Kopfkino kann beginnen. Die Orgel ist eine Elfe, die alles Gute, alles Helle dieser Welt zu repräsentieren scheint, während der dunkle Bass das antagonistische Gegenteil personifiziert. Durch den Rhythmus der Schlagzeugs schreiten die Elfe und das namenlose Dunkle durch einen Wald, verfolgen sich, bekämpfen sich, lieben sich. Crescendo an Crescendo reihen sich. Das Dunkle schlägt und wütet, trampelt von Bassslap zu Bassslap auf der vermeintlich schwachen Orgel-Elfe. Doch sie schlägt zurück und teilt sich, wird vielfach und schnell. Schließlich scheinen sich beide zu vereinen. Kein Ying & Yang mehr, sondern nur düsteres Grau. Schleppend geht es vorwärts, bis der China-Gong abermalige Veränderung einleitet. Die Meister des Märchenhaften, die Könige des Kopfkinos, die Kaiser des Klimax, das sind heute Abend Guapo. Und ernten dafür stille Aufmerksamkeit, hypnotische Teilnahme und nach dem Konzert frenetischen Applaus. Zugabe ruft trotzdem keiner, denn Guapo spielen keine Songs, sondern erzählen eine Geschichte, die vorbei ist wenn sie nunmal vorbei ist. Großartige Band!
In der Pause hört man dann schräge Comicmusik. Tiny Toons und andere bekannte und weniger bekannte Melodien. Beim Tomahawk-Konzert letztes Jahr schien die Pausenmusik, beklemmende Soundtracks von Ennio Morricone und anderen, einen Ausblick zu geben auf Delirium Cordia, das aktulle Album von Fantomas. Vielleicht konnte man heute schon das Konzept des noch für dieses Jahr angekündigten neuen Albums erahnen...
Mike Patton betrat mit Baseballkappy und Jeans absolut normal aussehend die Bühne. Krächzende Töne, Buzz Osbourne, Trevor Dune und Dave Lombardo sahen da schon besser zur „Musik“ passend aus. Musik ist für viele sowieso nicht der richtige Begriff um die Kakophonien Fantomas’ zu beschreiben.
Anders als man im Vorfeld vielleicht gedacht hätte ist heute eine Mischung aus allen Phasen der Band zu hören. Da kommen die Krachorgien und Schnitzelschnipsel des Debütalbums ebenso vor wie die im Kontext Fantomas schon fast gewöhnlich zu nennenden Songs von Director’s Cut. The Godfather, Golem, Vendetta und The Omen wurden von diesem Album gespielt wenn ich mich nicht irre und sie wurden auch am besten vom Publikum aufgenommen. Das ist aber auch nicht verwunderlich, bildeten sie doch eine Rettungsinsel in der gewaltigen Tour-De-Force des scheinbar Strukturlosen und Krachigen. Scheinbar deswegen, weil die Spitzenmusiker auf der Bühne den bekannten und auf Platte manchmal beliebig wirkenden Krach perfekt reproduzieren konnten. Allen voran muss man Mike Patton einfach immer wieder attestieren, dass er einer der besten Sänger ist die es gibt. Die in sekundenschnelle von clean und normal ins dunkelste Kreischen und wieder in höchte Fiepen übergehende Töne richtig zu treffen (und das kann man ja so sagen, wenn man die Platten gut geht) ist eine beinahe übermenschliche Leistung. Noch dazu weil der gute Mike ziemlich klein und schmächtig ist und man sich dauern fragt, woher er solch ein Stimmvolumen nimmt. Zwischendurch wurde es sehr ruhig, als Delirium Cordia in Teilen gespielt wurde und es Ambient-Like zuging, bevor Dave Lombardo wieder in die Felle drosch. Der Wechsel von schön und nicht auszuhalten schräg (hin und wieder musste man sich einfach die Ohren zuhalten) ist wohl bei keiner Band so extrem wie bei Fantomas. Nach etwa einer Stunde kam die Band für eine Zugabe wieder und spielte einen neuen Song (insgesamt waren wohl 3 neue Tracks in die Setlist eingebaut – so ganz weiß man das bei Fantomas ja nie, schließlich ist die Wiedererkennung hier zuweilen nicht gerade einfach), der fast poppig war. Eine Ode an D.R.I, die heute in der Nebenhalle spielten, war auch noch drin, bevor Mike seine Band vorstellte („On the drums: Schwanzlutscher Dave Lombardo.“), und ein zackig-deutsches „Gute Nacht!“ ertönen ließ. Den dazu erhobenen Arm könnte man auch als Hitlergruß interpretieren, aber wahrscheinlich sollte er nur irritieren.
Irritation, Provokation: im Kosmos Mike Patton bestimmendes Mittel. Entweder man liebt das oder man hasst es. Ich liebe es.

Beitrag von: skaninchen an 12. 05 2004, 15:10

das war ma eins der besten konzerte die ich gesehen hab.
bis auf die "zugabe", die hätten sie sich schenken können.
aber das intro allein war schon... unglaublich oder so.
interessant fand ich zu beobachten, wie die vier sich auf der bühne absprechen und zeichen geben.
ich finde im nachhinein, dass fantomas live viel zugänglicher als auf CD sind, allein weil man sieht, wer gerade welches geräusch macht.

Beitrag von: Guest an 12. 05 2004, 15:58

einmal das und außerdem, wie ich ja schon angedeutet habe, auch noch viel beeindruckender. das die songs eben nicht einfach nur krach sind sondern so gewollt und das man selbst die abwegigsten töne so wieder hinbekommt, das finde ich schon mehr als erstaunlich.
Beitrag von: Gerri an 14. 05 2004, 11:02

war für mich auch eines der besten konzerte, die ich besucht hab
hab durch das konzert auch wieder einen anderen zugang zur musik von fantomas gefunden, weil das konzert die musik einfach anschaulicher machte.
hab mir aber schwer getan die verschiedenen liedstücke/lieder mit sicherheit einzuordnen. das liegt aber vielleicht auch dran dass ich die amenanza nicht so viel gehört hab. aber das hat sich seit dem konzert geändert :)
aber hat immer wieder gut getan wenn etwas bisschen berechenbareres kam um sich daran festzuhalten. brauch ich wahrscheinlich einfach...
hatte das gefühl dass ein teil der neuen lieder/liedstücke für die tour extra einstudiert wurden, weil die delirium cordia nicht so live tauglich ist und sie aber doch auch neue sachen den leuten vorspielen wollten.

sehr beeindruckt war ich von lombardo. hat einfach spaß gemacht ihm beim spielen zu zuschauen/zuhören.
sehr irritierend und zugleich amüsant fand ich die teile des konzerts, wo echt nur mit geräuschen gearbeitet wurde. lombardo mit plastikflasche untermalt von anderen komischen klängen aus pattons audiozeugs... ;)

auf jeden fall verdammt geil dieser zelebrierte wahnsinn

guapo gefielen mir auch sehr gut. ich hatte bei einigen teilen des konzerts eine riesige nußknackerarmee vor meinen augen, die im gleichschritt maschiert
sonst wurde ich von der musik irgendwo hingetragen, weiß nur nicht wohin.
fand das gequatsche im publikum mehr als nervig. das dauerte das ganze konzert an, ausser halt bei den lauteren teilen

die tom und jerry musik stimmte auf jeden fall gut auf das konzert ein ;) könnt doch gut sein, dass das zeugs von patton ist oder?
auch wenn man nicht wirklich was von fantomas erwarten kann, denk ich mal dass sie nicht in die cartoon-musik richtung gehen. da braucht man ja keine band für so musik

Beitrag von: Guest an 14. 05 2004, 11:50

nunja, cartoon-musik in patton manier stelle ich mir schon geil vor.
Beitrag von: skaninchen an 14. 05 2004, 13:43

patton meinte im interview ich glaub im uncle sally's schon vor zwei monaten, die nächste fantomas-platte wird comic und cartoon-beeinflusst.
und ich hab erstaunlicherweise ziemlich viele stücke erkannt am dienstag. ich hatte die erste platte auch lange im auto als kassette, daher konnte ich das meiste schon wiedererkennen. und das ist ja wirklich 1:1 wiedergegeben worden.

Beitrag von: Gerri an 14. 05 2004, 23:10

dann bin ich ja mal gespannt @ cartoon fantomas album ;)
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