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+---Thema: Delbo - Havarien Eröffnet von Patrick


Beitrag von: Patrick an 12. 07 2006, 17:45

DELBO - HAVARIEN

Stil: Pop für Fortgeschrittene
Label: < Loob Musik > / < Universal >
Spieldauer: 8 Tracks, 40.05 min.
Release: 05. Mai 2006
MP3: < >> Saldo >

< Offizielle Bandhomepage >
< Delbo bei Myspace >

Nun ist es passiert: Delbo überspringen mindestens einen Zwischenschritt in ihrer Entwicklung und machen schon jetzt ihr Rotwein-Album. Lieder, mit denen man sich durch die Nächte schlagen wird, den Kopf überfüllt mit Gedanken.

Delbo werden mit “Havarien“  auf Unverständnis stoßen, wie sie oft, wenn eine Band sich schneller weiterentwickelt, als man es vermutet hätte.  “Havarien“ ist der übernächste Schritt in der Entwicklung des Berliner Trios, das sich lyrisch von allgegenwärtigen Standard-Mustern schon immer absetzte und nun auch musikalisch konsequent neue Wege beschreitet. Schrammelgitarren der Hamburger Schule treffen auf Dischord-Postrock-Komplexität, sagte man früher, heute ist es einfach nur noch Delbo. Reduziert um den Krach, eigen wie nie zuvor.

Kein Stück springt dich auf “Havarien“ mehr an wie einst etwa “Panorama“. Die Zugänglichkeit ist dahin, Delbo fordern viel vom Hörer. Eine Entwicklung nachvollziehen zu können. Ja, sogar aktiv zum Gesamtkunstwerk beizutragen: Das Cover-Artwork kommt grau in grau daher, gezeichnet mit einem Bleistift, doch unvollendet. Der Wink mit dem Zaunpfahl: Greife selbst zum Bleistift und vervollständige das Werk. Die Wege sind doch ohnehin schon vorgezeichnet: „Von hier an sind wir aufgereiht / wenn auch die Wege nicht verbinden.“.

Der Erstkontakt: “Havarien“ ist kalt. Schwer greifbar. Verkopft. Bleibt nachdenklich. Bricht fast nie aus der selbst auferlegten Starre aus. Anfangs ein zähflüssig schwerer, gleichförmiger Brei, bedarf es einem hohen Maß an Aufmerksamkeit und Geduld, um den kristallinen Bodensatz dieses Gefüges auszusieben. Im Kern ist “Havarien“ bei allem Anspruch, aller Komplexität und Undurchsichtigkeit doch Pop. Pop im Sinne einer Konsensmusik mit Identifikationspotential, die innerlich berührt, indem sie Gefühle anspricht, die jeder kennt. Pop für Fortgeschrittene, anspruchsvoller Pop, der sich verbirgt, hinter komplexen Strukturen, krummen Takten und dichter Instrumentalarbeit, die einem Uhrwerk gleich perfekt und präzise ihr Handwerk verrichtet. Pop, der sich manifestiert in Daniel Spindlers klarer Stimme, die der mechanischen Kälte die Menschlichkeit entgegensetzt. Die den Zahlen Identität verleiht, das Denken jedoch nicht ersetzt.

Ist das nun Kopf- oder Bauch-Musik? Ist das eine innere Ruhe oder die Ruhe vor dem Sturm? Die Gedanken muss man sich weiterhin selbst machen. Man kann sich zwar fallen lassen in die Stimmungen, die Delbo erzeugen, aber da ist noch mehr: Ein Ehrgeiz, lyrische Bilder entschlüsseln zu wollen, die Musik aufzusaugen und etwas zu lernen, etwas mitnehmen zu wollen. Ein wenig Weisheit vielleicht. Es gibt derlei Herausforderungen viele auf “Havarien“. Es regt zum Denken an, dieses faszinierende Stück Musik.

Wertung:


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