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+---Thema: Ulme - Tropic Of Taurus Eröffnet von Patrick


Beitrag von: Patrick an 14. 10 2009, 12:26

ULME - TROPIC OF TAURUS

Stil: Noise / Grunge / Stoner / Alternative
Label: < Nois-O-Lution > / < Indigo >
Spieldauer: 11 Tracks, 56.32 min.
Release: 02. Oktober 2009
MP3: < >> "Orpheus" (Edit) >
Artikel auf purerock.de: < >> Review "The Glowing EP" > // < >> Review "Dreams Of The Earth" > // < >> Review "The Sea In Me EP" >

< Offizielle Bandhomepage >
< Ulme bei Myspace >

Reisis Rückkehr: Die Ulme steht (mal) wieder, schlägt zum fünften Mal Wurzeln und weiß damit abermals zu fesseln. Ein erneutes Aufbäumen.

Die "The Sea In Me"-EP kündigte es im Februar schon an: Auf ein neues Ulme-Album sollte man nach dem famosen Comeback mit "Dreams Of The Earth" nicht erneut eine halbe Ewigkeit warten müssen. Was nicht heißt, dass es zwischendurch nicht wieder die üblichen Komplikationen gab: Der innere Kampf, die ewige Zerrissenheit dieser Band, äußerte sich wie stets auch im Bandgefüge. Von der Urbesetzung der Familienbande Heesch ist heute nur noch Frontmann Arne verblieben, seine kompetente Rhythmusfraktion wird neben dem ehemaligen Sissies-Bassisten Tim Liedtke nunmehr durch Pendikel-Drummer Lutz Möllmann gestellt.

Die Ausgangslage vor diesem Album war eine spannende: Würden die norddeutschen Noiserock-Urgesteine die mystisch-psychedelische Stimmung von "Dreams Of The Earth" wieder aufleben lassen? Würden sie stattdessen den Weg weiter gehen, den die unerwartet frontale Vorab-EP einschlug? Oder sollte man gar mit einer Rückbesinnung auf ganze alte Werte und Tugenden rechnen? Die Antwort lautet: Von allem ein bisschen, denn Ulme zeigen auf "Tropic Of Taurus" zwei Gesichter. Das grimmige, schmerzverzerrte, rasende. Und das spirituelle, sensible, melancholische.

Textlich steht diesmal jede Menge Liebesleid und Trennungsschmerz im Zentrum. Verweichlichung und rührselige Herzschmerz-Balladen braucht man bei dieser Band natürlich trotzdem nicht zu befürchten. Tatsächlich ist "Tropic Of Taurus" vor allem in seiner ersten Hälfte erstaunlich brutal und unbarmherzig geraten: Mindestens die ersten drei Brecher sind ein mächtiger Schlag in die Fresse, der frommen Wünschen nach klaren Melodien eine eindeutige Absage erteilt - mit ausgestrecktem Mittelfinger, Blut spuckend und Wut auskotzend. Schon im Opener "Rubber P." geht das Trio mit brachialer Wucht auf Kollisionskurs und hetzt wie ein Stier instinktiv immer wutschnaubend in Richtung Alarmstufe rot. Dieser unnachgiebige Zorn und drückend schwere Riffs von mitunter zäh malmender, doomig schleppender Güte ("Little Spark") machen die räudige erste Albumhälfte zu einem einzigen Donnergrollen, das den der Musik innewohnenden Schmerz physisch erfahrbar macht.

Nachdem so anfangs mächtig Dampf abgelassen wird, ist die zweite Albumhälfte ungleich zugänglicher und melodiöser. Schon im feinen "The Web" wird diese Wende angedeutet. Als Bindeglied zwischen gewalttätig und gewaltig dient danach aber der Song, der die wohl größte Überraschung dieses Albums darstellt: "Orpheus", das ungeahnt eingängige Duett mit dem alten Kumpel Kurt Ebelhäuser (Blackmail, Scumbucket), der übrigens auch für den satten Sound von "Tropic Of Taurus" verantwortlich zeichnet. In Gitarren und Melodieführung weckt das Stück tatsächlich Erinnerungen an die Koblenz-Clique – mit dem kleinen Unterschied, dass Arne Heesch zwischendurch wie manisch Wutfetzen in den Gesang von Ebelhäuser hineinstreut.

Melodisch geht es hernach auch weiter, greifen Ulme dann doch jene kontemplative Stimmung auf, die "Dreams Of The Earth" zum reifen Meisterwerk machte. Das weit ausholende Acht-Minuten-Epos "Girl Of The Sea" oder das in meditativer Ruhe Kraft findende "Light In The Trees" hätten auch auf dem Vorgänger ihren verdienten Platz gefunden. Bei "Phoenix Awakens" breitet der erwachende Greifvogel seine Schwingen aus und erhebt majestätisch aus dem Nest in die Lüfte. Die Abschlussballade "Saviour" schafft es dann, mit minimalen Mitteln und maximaler Reduktion sanft aus dem Album zu geleiten - gemächlich, aber doch nicht eben versöhnlich. Es sind Momente wie diese, in denen man feststellt: Die bedachte, altersweise Seite steht Ulme mittlerweile sogar noch besser als pure Aggression und bloßes Krachwüten.

Natürlich ist "Tropic Of Taurus" mit seiner in die Neunziger verliebten Soundästhetik erneut hemmungslos (und herrlich) anachronistisch, aber das hätte wohl auch niemand ernsthaft anders erwartet. Störender ist da schon, dass der allzu exzessive Gebrauch abgegriffener Naturmetaphern allmählich zum bandinternen Klischee wird. Aber gut, die Texte waren schließlich noch nie Ulmes Stärke – das ist und bleibt die Musik, auch dieses Mal wieder.

Eine solche Offenbarung wie "Dreams Of The Earth" ist Ulme mit "Tropic Of Taurus" zwar kein zweites Mal gelungen, denn der Vorgänger bleibt an Intensität und Atmosphäre unübertroffen. Aber solange dabei noch ein starkes Album wie dieses herausspringt, das in der Ulme-Discografie zumindest um Platz zwei mitkämpfen kann, ist das wahrlich keine Schande. Hoffen wir also, dass die Ulme weiter wächst und gedeiht – vielleicht sogar, ohne zwischendurch wieder Äste zu verlieren. Fortsetzung folgt, ganz bestimmt.

Wertung:


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