Es ist selten, dass ein Pressetext zu einem Album mehr nach einer philosophische Abhandlung klingt, als nach der üblichen Beschreibung der Musik, und dadurch den Leser genauso klug wie vorher zurücklässt. Offenbar standen die Herren vom Label vor dem selben Problem wie jetzt ich: Wie beschreibt man Cult of Lunas Musik? Ich habe dabei den Vorteil, dass ich ein Wörtchen benutzen kann, das dem Label wohl als Name-Dropping ausgelegt worden wäre: Neurosis. Ganz egal, wie man die Musik dieser Band nennt, den gleichen Stil spielen Cult of Luna. "The Beyond" ist allerdings weit davon entfernt, eine bloße Neurosis-Kopie zu sein. Die Gemeinsamkeiten beschränken sich vor allem auf den Wechsel zwischen laut und leise, wobei "laut" bei beiden Bands für eine erdrückende Gitarrenwand steht, und den Wechsel der Stimmungen in den Songs. In den Grundlagen ähneln sich also beide Bands, die Resultate sind aber reichlich verschieden. "The Beyond" ist vor allem eins: monumental. 75 Minuten lang drückt sich ein langsamer Klangwall aus den Boxen und bereitet dem Hörer ein fast körperlich spürbares Erlebnis. Die darin zum Ausdruck kommenden Stimmungen ändern sich fortlaufend. Kalt und mechanisch ist der Einstieg mit 'Receiver'; ein leierndes Riff in Verbindung mit unidentifizierbaren Samples verstört den Hörer. 'Genesis' beginnt ruhig, und auch wenn nach einiger Zeit die E-Gitarren einsetzen, ändert sich die Atmosphäre wenig. Langsam und bedächtig bewegt sich der Song auf einen der vielen Momente auf diesem Album zu, in denen man sich fühlt, als ob einem ein tonnenschwerer Stein von der Brust gehoben wird. Ähnlich ist es bei 'Circle', in dem nach einem wunderschönen akustischen Intro schlagartig die Gitarren einsetzen, die es trotz des extremen Kontrastes schaffen, die Schönheit des Beginns weiterzuführen. Ein solches Gefühl von Größe und Weite wie in diesem einen Moment schafft es selten auf einen Tonträger. Es wird jedoch nicht ausschließlich abstraktes Futter für die Emotionen geboten. Als Beispiel sei hier 'Arrival' genannt, das relativ aggressiv beginnt, aber schon in diesem Anfangsteil interessante Rhythmen und Basslinien (die übrigens auf allen Liedern hochklassig und gut hörbar sind) bietet, und nach rund vier Minuten in ein instrumentales Spannungsaufbaufest übergeht, das auch ohne technische Über-Meisterleistungen interessant zu hören ist. Überhaupt stellen Cult of Luna ihre Fähigkeiten in den Dienst der Musik, und nicht andersherum. Gefrickel sucht man vergebens. Man kann schwer in Worte fassen, was sich auf "The Beyond" alles finden lässt. Eigentlich hätte ich die kompletten letzten beiden Absätz durch das Wort "Kaufen!" ersetzen können. "The Beyond" muss man erleben. Ich hoffe, ich habe mindestens ein Probehören gerechtfertigt.
