Man musste sich ein bißchen daran gewöhnen, Revelation nicht mehr als das Hardcorelabel zu sehen als das es bekannt geworden ist. Mittlerweile weiß man: hier erscheinen unabhängige Platten, denen man Aufmerksamkeit schenken sollte. Das gilt ohne Wenn und Aber auch für die neuste Band auf dem Label – Temper Temper aus Milwaukee. Lo-Fi-Dance-Punk steht auf dem Programm: der Opener Trust Me macht in seinem The-Rapture-Faint-Auftritt gleich alles klar was klar zu machen ist. Unterkühlt, elektronisch, Beatlastig, mit psychedelischen Gitarren untersetzt, mit Videospielsounds geabwechselt. Alles was gerade zwischen London und New York Hip ist, ist in diesem Song zu finden. Genauso geht es beim Überhit Terror Tongue And Cheek weiter, der vielleicht nicht ganz auf einer Stufe mit The Faint zu finden ist, aber auch nicht weit davon entfernt. Spätestens bei Trainwreck Flare wird klar, dass Temper Temper in ein so eng gestecktes Korsett nicht zu stecken sind. Da gibt es verfrickelte Indie-Gitarren und Modest Mouse-Ansätze, die ganz klar machen, dass das hier etwas Eigenes sein will. 70er-psychedelik, 80er Independent Post-Punk, 90er Elektronik: Temper Temper wollen viel. Vielleicht zu viel: es braucht eine ganze Weile, bis die homogene Linie im Sound der Band zu entschlüsseln ist. Ist man über diesen Punkt hinaus hat man seine helle Freunde an dem Album. Im Verlauf der Platte wird die Orgel ein weiteres Instrument – eingesetzt wie eine Gitarre wie es sonst nur The Robocop Kraus machen können. Sin Spin Sin ist dann wieder elektronisch unterkühlt und mit sehr düsteren Gothic-EBM-Ambient-Beats untersetzt bevor mit My God Is Gold der heimliche Hit der Platte ansteht: ein warmer Post-Punkrocker mit Dischord-verfrickelten Gitarren, bevor die Highspeed Orgel einsetzt und an Organ Donor von DJ Shadow erinnern lässt. Zwischendurch wird es gar doomig, oft steht auch der Hardcore Pate. Rockig wird es bei den letzten Liedern: Sex Little Cuts ist ein Up-Tempo-Punkrocker im Temper Temper-Sinne (wieder diese Orgel!), Heart Like A Fist vereint einen schönen Samiam-Gesang mit verschrobenem Radio 4-Dance-Punk-Fundament bevor das Album mit Cheap Little Target beendet wird: es beginnt mit warmen Akkord-Gitarren, wird weitergeführt zur weirden Indie-Verrücktheit einer Modest Mouse-Scheibe, geht über in die überirdische Atmosphäre eines Interpol-Songs und endet mit psychedelischem Rock. Man merkt: Temper Temper sind nicht so einfach zu beschreiben und auch nicht leicht zu erfassen. Wer es aber liebt, eine Platte gerne von vorne bis hinten in all ihrer Vielfalt zu erforschen wird mit dieser Band eine wahre Freude haben. Fazit: Sehr interessante Dance-Punk-Platte für Freunde von The Faint und The Rapture bis Radio 4 und Modest Mouse.
-------------- The artist formerly known as Ulrich.
TEMPER TEMPER – S/T
