Ein schweres Gemüt und eine außerordentliche Textbegabung sorgen für ein Album, das wie in Zeitlupe an einem vorbeiläuft. Nachdenklicher Singer/Songwriter-Pop mit einer ganz eigenen Note.
Eine minimale, abstrakte Zeichnung ziert die Verpackung und verrät so schon viel über den Inhalt. Karamel ist Johann Scheerer aus Hamburg und Johann ist ein nachdenklicher Mensch. Sein zweites Album heißt "Schafft Eisland" und ist so ein Album, bei dem es mehr darum geht, was vorgetragen wird, als wie es vorgetragen wird. Der Text steht mindestens gleichwertig zur Musik, denn Johann ist kein großer Sänger, sondern ein Geschichtenerzähler. Stets nah am Ohr, formuliert er mit näselnder Stimme Zeilen, die in ihren abstrakten Gedankengängen niemals leicht verständlich sind, aber dennoch nicht fremd erscheinen. Zeilen wie diese: "In einem Sarg aus Waschbeton/ bin ich ein letztes Mal davongekommen/ hab mich dann eingegraben/ unter Blumen vom Balkon./ Und meine Träume waren gut genug/ zu dienen als ein Überzug/ meiner Schuhe aus zertretenen Schwärmereien." Trotz einer hohen Dichte an schwer durchschaubaren Metaphern, spürt man die gnadenlose Ehrlichkeit, mit der Johann mit sich selbst ins Gericht geht. "Schafft Eisland" ist ein schmerzhafter Seelenstrip, rund um die eigene Befindlichkeit und die Themengebiete Selbstzweifel, Schmerz, Angst und Vergänglichkeit.
Die Musik zu diesen Worten ist simpel und reduziert, erfüllt aber ohnehin nur den Zweck, die Lyrik unaufdringlich zu begleiten und ihr einen Unterbau zu bieten. Die Stimme steht weit im Vordergrund, hinzu gesellen sich eine gezupfte Akustikgitarre, ein dezenter Bass, gelegentlich auch elektronische Einsprengsel und das Piano von Thies Mynter (Superpunk, Stella, Phantom/Ghost). Nur in seltenen Momenten wird der Verstärker eingeschaltet, und diese aufbrausenden, schroffen Gefühlsausbrüche sind auch die Schwachpunkte dieser Platte. Wenn bei "Brand" plötzlich eine Schrammelgitarre Tempo macht oder selbige bei "Angst erschreckend laut aufheult, wenn Johanns Stimme sich überschlägt und an ihre Grenzen stößt und die innere Ruhe dieser Platte zu ersticken droht, wirkt all das eher bemüht als stimmig. Es sind die besonnenen Momente getragener Stille, die diese Platte auszeichnen, der Rest ist verzichtbar. Johann ist kein Rocker, er ist ein Poet.
Sein Meisterstück gelingt ihm mit einem wunderbar dezent und warm instrumentierten Selbstgespräch: "Du fragst, Johann, kann es sein/ dass du ständig müde bist?/ Und ist es möglich, dass kein Schlaf hilft/ und du irgendwas vermisst?/ Keine Antwort, weil ich denk/ dass es keine Frage ist/ und weil ich ständig müde bin/ und weil ich irgendwas vermiss.""Schafft Eisland" ist eine sehr eigene Form von Singer/Songwriter-Pop. Eine Platte, die dich bei der Hand nimmt und zum Nachdenken anregt, die freundlich und zugleich zutiefst melancholisch ist. Die aber letztlich das musikalische Element zugunsten des lyrischen Schwerpunkts manchmal ein wenig vernachlässigt und lauten Momenten besser komplett abgeschworen hätte.
Wertung:
-------------- this is a film that has no end fiction fights feelings absent as absurd as it sounds there´s more truth than you pretend
KARAMEL - SCHAFFT EISLAND
