Fantomas sind wieder da! Diesmal mit einem freudigen Horror-Porno-Kasperletheater. Sei ihr alle da? Sicher nicht alle, denn Suspended Animation ist genauso krank, genauso verrückt, genauso unaufnehmbar und unglaublich wie man es von den irrwitzigen Geistern hinter Fantomas mittlerweile fast erwartet. Nach dem meiner Meinung nach sterbenslangweiligen (im wahrsten Sinne) Horrortrip Delirium Cordia ist Suspended Animation das ganz genaue Gegenteil davon geworden. Ist Delirium Cordia ein schlaferzeugendes Sedativa, so ist Suspended Animation das Geisteskranke Amphetamin, dass dich Stimmen und Laute hören lässt. Kein Wunder, dass beide Werke gleichzeitig entstanden sind: beide gleichen sich aus; das eine wäre ohne das andere nicht denkbar. Irgendwo wurde das passender weise Ying und Yang genannt. Wie bei allen Fantomas-Werken gibt es auch hier wieder einen Bezug auf Filme und Medien, diesmal hat man sich wilden und verrückten Comics angenommen. Hier das Bang des Steineschmeißenden Coyote und das hämische Mäp-Mäp vom Roadrunner, da das Buff eines Batman-Faustschlags; hier ein wildes Autorennen mit Michel Vailant auf Drogen und dort Bugs Bunny wie er dem Nazi-Yosemite-Sam seine Mohrrübe in den After rammt. Es gibt viel zu viele Ideen und Fragmente um die auch nur annährend beschreiben zu können – Sprachsamples aus Comics treffen auf Mike Patton-Comicgekreische, wilde Sample-Comic-Loops auf Gitarrenloops und das Dave Lombardo-Schlagzeug macht sowieso Dinge, von denen kein Mensch jemals etwas verstehen wird. Man könnte vermuten, ob es nicht sinnvoller wäre die bloßen Sampler hintereinander zu setzen wie ein DJ Shadow oder Cassette Boy es machen würden, aber das sind nicht Fantomas: die genialen und mehr als innovativen Metalriffs geben dem Ganzen erst die organische, treibende, verrückte Note die sie brauchen um bestehen zu können. Wenn Babys schreien, Mörder lachen, Becken krachen, Huren freien: Fantomas ist da, König des Terrors & des Wahnsinns. Suspended Animation ist wieder viel näher dran an den Soundcollagen des Fantomas-Debüts und noch näher an Mr Bungle – ja bei einem Album wie diesem spielt es keine Rolle, ob man das Ganze jetzt Fantomas oder Mr Bungle nennt. Nach 50 Hördurchgängen entdecke ich noch täglich neue Dinge; die konkrete und sicher auf der ganzen Welt illegale Bilder im Kopf hervorrufen. Ein Freund meinte beim Hören von Suspended Animation: „in dieser Welt war so was wohl unvermeidlich“ – gut möglich, aber keiner würde es überzeugender hinbekommen als Fantomas. Das beste was Patton in diesem Jahrtauend abgeliefert hat. Fazit: Suspended Animation ist ein Amphetamin, das heißt mit anderen Worten: „Das Schlafbedürfnis entfällt, das Gefühl der Müdigkeit wird unterdrückt, die Denktätigkeit wird bis zur Gedankenflucht beschleunigt, die Initiative erhöht. Das Gefühl der Euphorie und eine damit verbundene verminderte Selbstkritik führen zu dem subjektiven Gefühl der Leistungssteigerung. Die körperliche Abhängigkeit bei Amphetaminen ist schwächer als bei Opiaten, die pharmakologische und psychische Gewöhnung ist jedoch stark, d.h. der Süchtige muß immer höhere Dosen nehmen, um die gewünschte Euphorie zu erreichen, kann jedoch kaum noch schlafen. Unter diesem permanenten Stress kann es zu Symptomen akuter Geisteskrankheit, vor allem einer paranoischen Schizophrenie kommen (Verfolgungsgedanken, Stimmen hören, Verwirrtheit).“
-------------- The artist formerly known as Ulrich.
FANTOMAS – SUSPENDED ANIMATION
