Es ist schon manchmal lustig, dass man das Alter der Mitglieder einer Band nicht selten an dem gewählten Musikstil erkennen kann. Dass es sich nur in den seltensten Fällen um 17-jährige Jungspunde handeln kann, wenn klassischer Folkrock oder dergleichen ertönt, ist jedenfalls klar. Und auch wenn man Musik hört, die vor etwa neun bis zehn Jahren populär war, kann man sich das Alter in etwa denken. Den alternativen Crossover-Metal, der Ende der Neunziger als Grunge-lastigerer Bruder von New Metal so populär war, hört man bei Atticus Finch, und damit auch indirekt, dass man es kaum mit Menschen unter Mitte Zwanzig zu tun haben wird. Wohl weniger nach der Bekleidungsfirma als nach dem integren Charakter aus Harper Lee’s Roman „To Kill A Mocking Bird“ benannt stellt sich die Band auf ihrer neuen EP Wide Awake mit dem Opener und Titelgebendem Song gleich gut vor: es ist ein eingängiger, für eine Label-lose Band sehr gut produzierter Song mit einer Hookline, die mit den großen Alternative Metal-Kollegen aus Übersee locker mithalten kann. Vor einigen Jahren hätte das freilich noch genervt, zu der Zeit nämlich, als sich dieses Magazin gründete und in fast wöchentlichem Abstand die neuen Alben von Bands hereinflatterten, die sich für die neue Reinkarnation des Rocks hielten. Mittlerweile wenden sich diese Band ja eher Emocore oder Britpop zu, so daß es schon fast erfrischen ist, eine handwerklich saubere und, nunja, bodenständige Rock-EP wie diese hier zu hören. Mit Sicherheit weder die Neuerfindung noch die Rettung der Rockmusik und in der Geste etwas zu breitbeining-poserhaft, aber allemal gut geschriebene Genre-Musik.
-------------- The artist formerly known as Ulrich.
ATTICUS FINCH- WIDE AWAKE
